Dies ist ein Erfahrungsbericht meines Assessmentverfahrens für den Reserveoffizieranwärter (ROA a.d.W.).
In den letzten beiden Tagen hatte ich mein Assessment in Köln. Dazu möchte ich ein paar Zeilen und Tipps schreiben – ohne zu sehr ins Detail zu gehen und ohne die Vertraulichkeit zu verletzen. Geheimhaltung ist ein großes Thema und an dieser Stelle auch gleich schon der erste Tipp: Mobiltelefone und Smartwatches müssen auf der Stube verbleiben. Das heißt: Klassische Armbanduhr mitnehmen! Zwar hängen an vielen Stellen im Gebäude und in den Prüfungsräumen Uhren, aber man fühlt sich einfach sicherer, weil die Uhrzeit eine große Rolle spielt. Ich habe einen richtigen Präsentationskoffer gepackt mit Whiteboard-Stiften, Kärtchen, einer digitalen Eieruhr, vorgedruckten Blättern, verschiedenen Stiften… – das könnt ihr alles vergessen. Außer einem Kugelschreiber darf nichts benutzt werden. Auszufüllende Formulare und Blätter für Notizen etc. bekommt ihr vor Ort in der jeweiligen Prüfungsphase. (Den Rest dürft ihr einfach nicht benutzen: Eure Mappe ist außer Reichweite).

Aber der Reihe nach. Man kommt an der Mudra-Kaserne in Köln an und die Schranke wird geöffnet. Dann zeigt man seine Einladung und seinen Personalausweis vor. (Da einige Leute erst spät abends ankamen: Beim Programmieren des Navis genau hinsehen. Es gibt noch eine Kaserne in Köln). Die Ankunftszeit sollte locker 1-2 Stunden vor der auf der Einladung angegebenen Zeit sein. Bei mir stand 14:30 Uhr drauf, ich war aber schon vor 13 Uhr da und das war gut so. Man muss sich orientieren, Coronatest machen etc. Wenn man früh da ist, nimmt das ein bisschen den Druck raus.

Die meisten Bewerber vor Ort stehen kurz vor oder nach dem Abitur. Zumindest in meiner Gruppe waren ROA die absolute Ausnahme. Jeder Bewerber erhält einen Laufzettel, auf dem die einzelnen Stationen mit Uhrzeiten eingetragen sind. Am ersten Tag gibt es zunächst eine kurze Einführung in den Offiziersberuf und einen Infoteil mit dem Schwerpunkt „Studium“, der für uns nicht relevant ist. Außerdem darf man die ersten Formulare ausfüllen und erste Angaben zu Motivation und Persönlichkeit machen. Danach geht man mit den Betreuungsoffizieren zum Abendessen (bei uns gab es Lunchpakete). Die Betreuungsoffiziere sind während des gesamten Verfahrens deine Ansprechpartner vor Ort. Sie können den einen oder anderen Witz erzählen und gerade in den Abendstunden oder beim Rauchen lohnt es sich, Fragen zu stellen, die einem auf der Seele brennen. (Einigen Kameraden wurde so auch klar, dass der Offiziersberuf viel „Schreibtisch“ und wenig „Grün“ bedeutet. Das war etwas ernüchternd und ließ sie zweifeln. Also vorher informieren zum Beispiel auf diesem Blog!) Die meisten OA-Bewerber vor Ort streben ein Studium bei der Bundeswehr an. Sie bleiben dann noch einen dritten Tag vor Ort.

Zunächst jedoch zum zweiten Tag, der eigentlich für alle um 5 Uhr beginnt, da dies die ideale Zeit für den eigenen (Handy-)Wecker ist. Wenn man schnell ist, schafft man es als einer der Ersten unter die (zum Glück warme) Dusche. Dann zieht man sich an. Im Anschreiben, das jeder Bewerber erhält, steht der frei interpretierbare Satz „dem Anlass angemessene Kleidung“. Das ist natürlich ein dehnbarer Begriff. Ich würde sagen, mit Business Casual kann man nichts falsch machen. Es gab auch Jungs im T-Shirt, das fand ich persönlich definitiv underdressed, und wieder andere mit Anzug und Krawatte. Aber das waren beides Ausnahmen und Extreme. Meine Empfehlung wäre: Zieh dich so an, als würdest du zu einem besonderen Anlass essen gehen. Kein Abendkleid, kein schicker Anzug, aber auch keine Jogginghose. Ich hatte eine gute Jacke, zwei blaue Hemden, eine dunkelblaue Jeans für den ersten Tag und eine dunkelbraune für den zweiten Tag eingepackt. Passend zu meiner Aktentasche und meinem Gürtel trug ich braune Lederschuhe. Normalerweise trage ich Polohemden und kein Sakko. Polo wäre auch okay gewesen, aber ein bisschen kühl. Sich in den Konfirmationsanzug zu zwängen, wenn man sich darin nicht wohl fühlt, macht für mich überhaupt keinen Sinn. (Bankangestellte und Anwälte sind die Ausnahme.)

Nach dem Frühstück gibt es wieder eine kurze Besprechung im großen Besprechungsraum. Hier wurde uns die „Spinne im Netz“ vorgestellt, der Unteroffizier vom Dienst, der die Laufzettel ständig aktualisiert und optimiert. Bei ihm muss man sich im Laufe des Tages immer wieder melden, was dann auf dem Laufzettel vermerkt wird.

Bei mir war die erste Station ein Computertest, der dazu dienen sollte, meine Persönlichkeit einzuschätzen. – Mit Verlaub, zumindest aus meiner Sicht ein absoluter Blödsinn. Man sollte aus verschiedenen Adjektiven die passende Beschreibung für sich selbst finden. Natürlich waren die Begriffe so gewählt, dass dies teilweise unmöglich war. Ich habe versucht, eine gesunde Mischung zusammenzuklicken, trotzdem wahrheitsgemäß zu antworten usw. – aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Verfahren irgendjemandem nützt. Vielleicht geht es um die Schnelligkeit von Entscheidungen? Spekulation! Gleich danach ging es im selben Raum, ebenfalls am PC, mit weiteren Fragen weiter, die wohl Hintergrundinformationen über den Bewerber liefern sollten. Leider auch hier unvorstellbar, dass ein Bewerber hier etwas „Problematisches“ auswählen könnte. Ich nenne diese erste Station und ja, ich lehne mich mit dem Begriff aus dem Fenster: den Idiotentest. Da diese Station nicht bei allen an erster Stelle stand, konnte man nicht den Schluss ziehen, dass hier ein seichter Einstieg geboten werden sollte. Na ja.

Ich bin dann zur ärztlichen Untersuchung gegangen, die in verschiedene Bereiche aufgeteilt war. Man wird gewogen und vermessen, es folgen verschiedene Seh- und Hörtests und dann geht es zum Chefarzt (?). Hier wird man noch einmal kurz durchgecheckt (übrigens nicht im Intimbereich): Pulskontrolle, 20 Kniebeugen, Pulskontrolle. Ansonsten wird man abgehört und die Beine werden untersucht (was da genau gemacht wurde, kann ich nicht beurteilen). Nach einem kurzen Gespräch über eventuelle Vorerkrankungen, Drogen etc. bekommt man dann von diesem Arzt einen Bogen. Das ist die erste große Hürde und zerstört beim ein oder anderen Jungspund den Lebenstraum vom Fliegen oder ähnlichem. Der Bogen enthält viele Kreuze. Je mehr Kreuze, desto besser: Das sind die möglichen Verwendungen, für die man als tauglich befunden wird. Ich bin übrigens mit zunehmendem Alter tauglicher geworden… Ha!

Meine dritte Station war dann der CAT. Also wieder an den Computer. Bei diesem Computertest hatte ich ein schlechtes Gefühl. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber da steht „adaptiv“ dahinter, also ich nehme an, je besser man ist, desto schwieriger wird es. Also bitte keine Sorge, wenn du irgendwelche Aufgaben nicht lösen kannst. (An dieser Stelle auch nochmal der Hinweis: Die Testtrainer im Internet bringen fast nichts und man kann sie sich meiner Meinung nach sparen, auch wenn die Aufgabentypen ähnlich sind). Kleiner Spoiler: der CAT lief bei mir besser als ich gedacht hätte. Dann schaffst du es auch!

Von hier aus ging es für unsere Gruppe (die oben auf dem Blatt steht – Füchse sprechen sich vorher ab!) in das Gruppensituationsverfahren. Auch hier wieder ein Spoiler: Ich dachte hier, es wäre gut, aber für mich war es nur mittelmäßig, wie ich im Abschlussgespräch erfahren sollte. Die ersten Aufgaben sind so, wie sie auch an anderen Stellen im Internet beschrieben sind. Dann gab es noch einen Vortrag. Zur Gruppendiskussion möchte ich keine Tipps geben, da ich hier nicht glänzen konnte, aber auch nicht weiß, was ich hätte besser machen können. (Aus meiner Sicht haben wir in der Gruppe gute Wege und Lösungen gefunden – und jeder kam zu Wort und wurde gehört). Nun gut. Ich werde es verkraften.

Schließlich führte uns der Laufzettel wieder in die Kantine. (Ich kann die interessant aussehende Pizza empfehlen, wenn man die Gelegenheit hat: Sie hat gut geschmeckt! Die Waldmeisterbrause hingegen war eher enttäuschend).

Vom Mittagstisch ging es dann geschmeidig zum Interview. Hier wird im Netz diskutiert, wie wichtig dieser wirklich Part ist. Ich kann aus meiner persönlichen Einschätzung nur sagen, dass ich vermute, dass es einen sehr sehr hohen Stellenwert hat. Wie beim Gruppensituationsverfahren sitzt hier das gleiche Prüferteam, bestehend aus einem Psychologen und einem Militär (oder zwei Militärs mit entsprechender psychologischer Ausbildung). Die beiden stellen diverse Fragen zu den Stellungnahmen und Antworten, welche du in deiner Bewerbung (ja, sie wurde tatsächlich gelesen!) oder auf Fragebögen während des Assessments angegeben hast. Es handelt sich hierbei nicht um ein Kreuzverhör, auch nicht um böser Cop, guter Cop: die Stimmung ist recht ehrlich, locker und trotzdem muss man natürlich aufpassen, dass man das von sich gibt, was auch relevant bzw. sinnvoll und angemessen ist. Mehr möchte ich zum Interview gar nicht sagen, da es wohl der individuellste Teil des gesamten Verfahrens ist.

Überlege dir die Basics: Warum Bundeswehr? Warum erst jetzt? Warum Offizier? Hast du dich mit den Gefahren auseinandergesetzt usw.? Was gibt dir Rückhalt? Wie gehst du mit Stress und Emotionen um? usw. Nach dem Interview wird man dann für eine gefühlte Ewigkeit in den Warteraum geschickt, bis man dann endlich zur abschließenden Beurteilung hereingerufen wird. Neben einem kurzen Resümee zu deinen Leistungen kannst du außerdem eine Tendenz (unteres, mittleres, oberes Drittel) heraushören und dann erhältst du (hoffentlich!) das Wichtigste: den Yippie Yeah-Wisch! Mit diesem begibst du dich dann wieder zur „Spinne im Netz“ und wirst zum MAD (im Nachbargebäude) geschickt. Was hier passiert, ist top secret… und dauert nur 5 Minuten. Danach hast du es geschafft und kannst die unspektakuläre Heimreise antreten.

Jetzt heißt es wieder warten, denn die ROA-Bewerber erhalten keine sofortige Rückmeldung und auch kein Gespräch mit dem Planer. Es wird sich in den nächsten 1-3 Wochen jemand per Mail oder Telefon melden und Vorschläge unterbreiten. (Ich habe mir vorgenommen, hier hart zu verhandeln. Denn wenn es nicht passt, dann will ich es auch nicht).


Update

Ich habe heute (25.10.2022) einen Anruf vom Einplaner erhalten. In diesem Telefonat wurde ich über das weitere Vorgehen informiert und wir haben auch kurz über meine Verwendungswünsche gesprochen. Während er dem Presseoffizier gegenüber aufgeschlossen war, sah es mit meinen „Sonderwünschen“ eher schlecht aus, aber er hat sie trotzdem notiert. (Grundsätzlich werden Presseoffiziere und Personaloffiziere gesucht.) Wenn ich das richtig interpretiere, beginnt jetzt das eigentliche Verfahren und der Einplaner prüft, ob er mich unterbringen kann. Ich habe deutlich gemacht, dass ich bis Dezember eine Rückmeldung brauche, sonst werde ich die Mannschaftslaufbahn einschlagen. (Dies wurde auch entsprechend in meiner Akte vermerkt und mir wurde zugesichert, dass ich noch in diesem Jahr kontaktiert werde). Das Ergebnis meines Assessments bleibt übrigens 2 Jahre gültig. Selbst wenn ich also dieses Jahr leer ausgehe, kann ich nächstes Jahr einen neuen Versuch starten. (Vorausgesetzt, ich möchte das: Meine Grundausbildung könnte in diesem Fall angerechnet werden und ich könnte direkt mit den Modulen beginnen, so der Einplaner aus Köln. Hört sich auch gut an, andererseits springt man dann irgendwie hin und her… und die Kameradschaft, die man in der GA gewonnen hat, geht vielleicht wieder verloren).


Update

Mittlerweile liegt mein Assessment Jahre zurück und ich habe einige Erfahrungen hinzu gewonnen. Und da die Frage immer mal wieder aufkommt: es wurde schlussendlich nichts mit dem ROA a.d.W.: Zwar hatte ich die Eignung aber es wurde (zumindest im Zeitfenster) kein Dienstposten gefunden. Schlussendlich habe ich also die Ausbildung für Ungediente (in der Laufbahn der Mannschaften) absolviert – und bereue nicht, dass es so gelaufen ist! Ich bin mittlerweile in der Reserve angekommen, sehr engagiert – ehrenamtlich, aber auch durch lange Reservedienstleistungen – und möchte dir als Leser drei wichtige Aspekte mit auf den Weg geben:  1) Lerne die Bundeswehr erst einmal kennen. Die höheren Laufbahnen sind zeitaufwendig, man muss viel Büffeln und du musst dir sicher sein, dass du dafür die Zeit aufbringen kannst und willst – und überhaupt mit dem gesamten System Bundeswehr klarkommst. Einen Laufbahnwechsel kannst du immer noch anstreben, wenn du dann mal angekommen bist.  2) Überlege dir welche Dinge du tun möchtest. „Mannschaften Schabernack“ im Grünen kann durchaus erfüllender sein als der planerische Büroalltag eines Offiziers in einem hochbürokratischen System.  3) Die Wertschätzung und das Vertrauen welche unterstellte Soldaten einem Offizier entgegen bringen, der noch grün hinter den Ohren ist, muss schwer verdient werden. Das ist vielleicht für einen Außenstehenden schwer greifbar… – Weitere Aspekte habe ich hier zusammengefasst.

Hast du Fragen oder eigene Erfahrungen? Dann schreibe mir eine E-Mail oder hinterlasse unten einen Kommentar.

Daniel absolvierte die Ausbildung für Ungediente 2023 in Rheinland-Pfalz und ist seitdem in einer Heimatschutzkompanie beordert. Er arbeitet als Reservistendienstleistender in einer Projektgruppe des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr und engagiert sich als einer von zwei Beauftragten der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr für die Ausbildung Ungediente. Daniel ist verheiratet und Vater von drei Töchtern.

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