Dies ist mein Erfahrungsbericht über die Ausbildung für Ungediente in Rheinland-Pfalz. Ich habe Sie im Juli 2023 abgeschlossen und somit kann ich zum ersten Mal wirklich über meine Ausbildung zum Reservisten berichten. Dieser Beitrag ist, wie alles auf diesem Blog, meine persönliche Sicht der Dinge.

Modul 1

Mittwoch, 19. April 2023

Tag 01

Antreten 15:00 Uhr
Zapfenstreich 23:30 Uhr
Schlaf 7:10 h (ausreichend)
Schritte 7.675
Stress 76%
Motivation 9/10

Vor dem ersten Modul hatten sich bereits einige Kameraden zu einer virtuellen Lerngruppe zusammengefunden und wir beschlossen, uns vor Dienstbeginn zum gemeinsamen Mittagessen zu treffen. So trafen wir uns um 12 Uhr bei Svenjas Diner und ich bekam vor Aufregung kaum einen Bissen runter. Trotzdem war es schön, die Kameraden zum ersten Mal zu sehen und persönlich kennenzulernen.

Um 15:00 Uhr kamen wir im Lager Aulenbach (Baumholder) an und wurden in unsere Stuben eingeteilt. Wie ich später erfuhr, war die Gruppeneinteilung bewusst so vorgenommen worden, dass die Gruppen möglichst gut gemischt waren. So gab es jüngere und ältere Kameraden (zwischen 22 und 62 Jahren). Außerdem war in jeder Gruppe eine Kameradin, die allerdings in einem anderen Gebäude untergebracht war. (Unsere Stube hat sich besonders gefreut, dass wir einen aktiven Hauptfeldwebel als Gruppenführer hatten.)

Nach dem Abendessen wurden wir in unseren U-Raum geführt, wo wir Unterricht zum Thema Wehrstrafgesetz und Vorgesetztenverordnung erhielten. Auf die Inhalte möchte ich hier nicht näher eingehen, jedoch gibt der Reibert und andere öffentliche Quellen einen guten Überblick.

Mein Tipp
Wenn du dich zum ein oder anderen Thema bereits etwas einlesen möchtest,  damit es nicht zu viel Stoff ist, dann wirst du zu allen Themen im „Reibert“ fündig werden. Übrigens: mit dieser Packliste wirst du bestens vorbereitet sein.

Donnerstag, 20. April 2023

Tag 02

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich 23:30 Uhr
Schlaf 5:15 h (ausreichend)
Schritte 11.785
Stress 70%
Motivation 7/10

Auch der zweite Tag war vom Unterricht geprägt, diesmal mit dem Schwerpunkt „Befehl und Gehorsam“. Außerdem machten wir unsere ersten Schritte – im wahrsten Sinne des Wortes – und begannen mit dem Formaldienst. Die Ausbildung des Formaldienstes sollte in den Tagen bis zum Gelöbnis unser Schwerpunkt werden, denn am Samstag sollte alles gut aussehen.

Es ist gar nicht so einfach, den richtigen Rhythmus zu finden – aber irgendwann ging mir das monotone „links, zwo, drei, vier“ in Fleisch und Blut über und ich sollte die nächsten Tage im Takt essen und träumen.

Wir übten auf der „Platte“ in Baumholder und konnten so manches militärische Großgerät bestaunen. Für viele war es das erste Mal, dass sie Panzer und Haubitzen aus der Nähe sahen. Immer wieder hörten und sahen wir auch die Einschläge, wenn die Geschosse abgefeuert wurden, um kurz darauf zu detonieren.

Freitag, 21. April 2023

Tag 03

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich 23:00 Uhr
Schlaf 5:50 h (ausreichend)
Schritte 16.800
Stress 85%
Motivation 8/10

Der Freitag stand ganz im Zeichen des Formaldienstes. Wir übten noch einmal intensiv das Marschieren im Gleichschritt, sowie die verschiedenen Kommandos „Kehrt“, „Rechts Schwenk“, „Richt euch“ und so weiter.

Ansonsten habe ich keine konkreten Erinnerungen mehr an diesen Tag und verfluche, dass ich mir keine Notizen gemacht habe. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es der Tag war, an dem wir zum ersten Mal das G36 aus der Waffenkammer bekommen haben. Es ist unhandlich, obwohl die Schulterstütze klappbar ist, und es gibt verschiedene Arten, es zu tragen. Hat man die Waffe einmal in Empfang genommen, darf man sie nicht mehr aus den Augen lassen. Das gilt natürlich besonders im U-Raum, aber auch in der Kantine. Dein Gewehr begleitet dich auf Schritt und Tritt, egal ob du isst oder auf die Toilette gehst. (Nur in Ausnahmefällen kann man die Waffe einem Kameraden geben, der dann die Verantwortung dafür übernimmt). Das Üben mit der Waffe, auch wenn sie nicht geladen ist, gehört zu den Grundlagen und man sollte sich daran gewöhnen, die Waffe so zu führen, als ob sie geladen wäre.

Mein Tipp
Infos zur Waffenausbildung findest du in diesem Beitrag und natürlich im Netz. (Beachte, dass manche Informationen als Verschlusssache gelten!)

Samstag, 22. April 2023

Tag 04

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich 23:20 Uhr
Schlaf 5:50 h (schlecht)
Schritte 27.690
Stress 100%
Motivation 9/10

Der Tag des Gelöbnisses. Für jeden Rekruten ein großer Tag. Ich hatte neben meiner Familie (Frau, Kinder, Eltern) auch zwei Kameraden aus meiner Reservistenkameradschaft und einen Freund, der leider nicht zum Lehrgang zugelassen wurde, eingeladen.

Von allen Seiten wurde mir versichert, dass wir ein gutes Bild abgegeben haben und unser Auftritt mehr als vorzeigbar war. Auf der „Platte“ stand auch eine Panzerhaubitze 2000, vor der der Militärgottesdienst abgehalten wurde.

Wir übten den Ablauf einige Male, bekamen feste Positionen zugewiesen und als es dann endlich soweit war, klappte alles wie am Schnürchen. Wir legten unser Gelöbnis ab und sangen lauthals die Nationalhymne, die von einer Musikkapelle begleitet wurde.

Der bewegendste Moment für mich war jedoch, als wir im Stillgestanden antreten mussten und meine kleinste Tochter sich von meiner Frau losriss und auf mich zustürmte. Ich wusste in dem Moment nicht, ob ich mich bewegen durfte, aber als sie schon an meinem Hosenbein hing, kam das Kommando „Rühren“ und ich durfte meine Tochter mit tränenfeuchten Augen auf den Arm nehmen. Ich versuche meinen Kindern altersgerecht zu erklären, was ich da eigentlich mache und warum – aber ich bin froh, dass sie es noch nicht wirklich verstehen.

Am Vormittag gab es übrigens noch einen „Lebenskundlichen Unterricht“, bei dem man erfahren konnte, warum die anderen Kameraden überhaupt hier sind.

Mein Tipp
Für das Gelöbnis und die Nationalhymne bzw. der Flagge habe ich zusätzliche Artikel erstellt.

Sonntag, 23. April 2023

Tag 05

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich 22:20 Uhr
Schlaf 6:00 h (schlecht)
Schritte 12.335
Stress 100%
Motivation 4/10

Heute war mein Tiefpunkt. Meine Motivation war am Boden. Ich war zwar noch weit davon entfernt, das Handtuch zu werfen, aber ich kämpfte gegen den Schweinehund an. Obwohl, und das muss ich ausdrücklich betonen, die Ausbildungseinheiten an diesem Tag sehr interessant und von den motivierten Ausbildern erstklassig vorbereitet waren.

Zum ersten Mal beschäftigten wir uns mit dem G36 und dem P8, den beiden Standardwaffen des Soldaten. Die Baugruppen waren den meisten von uns schon bekannt, auch wenn es bei der „Pufferstange“ oder dem „Verschlussfanghebel“ noch Wiederholungsbedarf gab. Neben dem richtigen Tragen, vom Aufnehmen bis zum Übergeben, sollten wir in den nächsten Tagen die Grundlagen lernen.

Das (feldmäßige) Zerlegen und Zusammensetzen der beiden Waffen fiel mir recht leicht, es sind weniger Teile als man denkt. Das absolut Wichtigste im Umgang mit Schusswaffen sind jedoch die vier unumstößlichen Regeln, die es immer zu beachten gilt. Sie wurden uns eingetrichtert und wer dagegen verstieß, wurde zu Recht „weggeföhnt“. – An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Ton selten rau oder harsch wurde – nur beim Thema Waffen gab es keine Toleranz, das musste sitzen! Und das ist auch gut so.

Montag, 24. April 2023

Tag 06

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich 23:00 Uhr
Schlaf 6:50 h (schlecht)
Schritte 15.735
Stress 92%
Motivation 8/10

Der Tag des Grauens, der gar nicht so schlimm werden sollte: Heute wurde unsere Fitness auf die Probe gestellt. Gleich vorweg: Meine Leistungen waren nicht gerade berauschend, dessen bin ich mir bewusst. Erstens bin ich nicht besonders fit, zweitens war ich während des gesamten Moduls gesundheitlich ziemlich angeschlagen.

Wir sind in ein Sportzentrum der Bundeswehr gefahren und haben nach dem Aufwärmen den BFT (Sprint, Klimmhang, Laufen) und einen Schwimm-Test absolviert. Ob das nun BFT oder IGF war, weiß ich nicht mehr, aber das Sportprogramm hat mir geholfen, den Schweinehund zu überwinden, mit dem ich am Vortag zu kämpfen hatte.

Nach der Mittagsverpflegung war der sportliche Teil vorbei und wir wiederholten die Themen vom Vortag. Ich war wieder hoch motiviert und voll bei der Sache. Es war interessant und ich hatte Spaß und Freude am Lernen.

Mein Tipp
Infos zum Fitnesstest findest du hier – oder unter dem Schlagwort „Sport“.

Dienstag, 25. April 2023

Tag 07

Wecken 4:45 Uhr
Zapfenstreich 23:00 Uhr
Schlaf 5:55 h (ausreichend)
Schritte 10.745
Stress 80%
Motivation 9/10

Heute stand der AGSHP, der Schießsimulator, auch „Schießkino“ genannt, auf dem Programm. Das System simuliert nicht nur die Flugbahn der Geschosse, sondern vermittelt auch durch Geräusche und Rückstoß (über Luftdruck) ein möglichst realistisches Bild. Während des Schießens werden sämtliche Parameter des Schützen aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Das hat mir sehr geholfen und ich habe versucht, mir die Tipps, die ich bekommen habe, zu Herzen zu nehmen.

Während eine Gruppe im Simulator war, rotierten die anderen Gruppen von Station zu Station. Neben dem Simulator bekamen wir auch eine praktische Funkausbildung inklusive Verschleierung und Authentisierung, eine kleine Einführung in die Verwundetenversorgung sowie die Grundlagen der ABC-Ausbildung (mit Schutzmaske und Schutzanzug).

Mittwoch, 26. April 2023

Tag 08

Wecken 5:00 Uhr
Zapfenstreich 22:00 Uhr
Schlaf 5:00 h (schlecht)
Schritte 10.110
Stress 94%
Motivation 9/10

Der heutige Tag war vom Aufbau her eine Wiederholung des Vortages. Wir waren wieder in Gruppen und beschäftigten uns mit den gleichen Themen, aber das Wissen wurde gefestigt und vertieft.

Beim „Verschlüsseln“ von Informationen über Funk kommt es vor allem darauf an, keine Flüchtigkeitsfehler zu machen und bei der ABC-Ausbildung geht es um Schnelligkeit und Ordnung. Innerhalb kürzester Zeit musste die ABC-Schutzmaske aufgesetzt und wieder abgenommen werden, natürlich ohne sich selbst zu kontaminieren. Die Krönung der ABC-Ausbildung war dann ein kurzer Marsch mit Gepäck in voller Montur. Mein Respekt gilt den ABC-Abwehrbataillonen, die teilweise den ganzen Tag und zu jeder Jahreszeit in dieser Ausrüstung arbeiten müssen.

Mein Tipp
Es schadet nicht, wenn du die Dienstgrade und das Nato-Alphabet drauf hast!

Donnerstag, 27. April 2023

Tag 09

Wecken 4:45 Uhr
Zapfenstreich 22:40 Uhr
Schlaf 6:40 h (schlecht)
Schritte 14.525
Stress 90%
Motivation 10/10

Der erste scharfe Schuss. Heute fuhren wir im Konvoi zur Standortschießanlage und konnten zeigen, was wir zuvor in der Simulation geübt und gelernt hatten. Für die meisten Kameraden ist dieser „Soldatensonntag“ und der erste scharfe Schuss sicherlich ein Highlight, das neben dem Gelöbnis in Erinnerung bleiben wird.

Zuerst ging es für mich zur Station „P8“. Wir wurden mit modernen Schutzwesten ausgestattet und gingen paarweise zur Station. (Es fanden gleichzeitig 4 Rennen statt.) Da ich nicht weiß, wie öffentlich die Übungen sind, werde ich nicht ins Detail gehen. Es zeigte sich aber, dass einige Kameraden Probleme hatten, den Abzug der P8 zu betätigen. (Die Fingerkraft kann man übrigens mit Gummibändern oder diesem Trainer verbessern). Die Aufgabe besteht darin, mehrere Schüsse, gespannt und ungespannt, auf verschiedene Entfernungen abzugeben.

Danach übernahm ich für einige Zeit den Torposten und wurde mit einem Funkgerät ausgestattet. Bei einem ankommenden Oberfeldwebel habe ich den Dienstgrad falsch aufgenommen, aber sonst hat alles geklappt.

Danach ging es weiter zur ersten G36-Station. Ich war selbst von meinem Schießergebnis beeindruckt und freute mich, dass ich alle Durchgänge auf Anhieb bestanden hatte.

An diesem Tag waren auch ein Redakteur der Süddeutschen-Zeitung und der Presseoffizier des LKdo zu Besuch, mit denen ich bereits im Vorfeld Kontakt hatte. Herr K. informierte sich über die Ausbildung und interviewte einige Kameraden über ihre Motivation. Alle sind gespannt auf den Artikel. – Aktualisierung 19.05.2023: zum Artikel

Freitag, 28. April 2023

Tag 10

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich 23:50 Uhr
Schlaf 6:30 h (ausreichend)
Schritte 17.985
Stress 72%
Motivation 7/10

Hoher Besuch. Heute war Generalleutnant Laubenthal, der stellvertretende Generalinspekteur, zu Besuch, um sich ein Bild von uns und dem Programm zu machen. (Er war auch Ende März 2022 bei „Nachgefragt“ zu Gast.) Im Vorfeld hatte ich ein etwas komisches Gefühl, denn normalerweise werden solche „Vorzeigetermine“ von einer Pressedelegation begleitet. Aber es kam anders als erwartet: Der General war nicht nur interessiert und bodenständig, sondern suchte auch beim gemeinsamen Mittagessen das Gespräch mit den Kameradinnen und Kameraden. (Presse war keine vor Ort.)

Trotz des hohen Besuchs wurden wir, wie auch an den anderen Tagen, gruppenweise durch die Ausbildungsabschnitte geführt. Heute stand die Wachausbildung auf dem Programm, die wir heute praktisch üben konnten. An den einzelnen Stationen „Durchsuchung“, „Patrouille“ und „Torposten“ lernten wir anhand von filmreifen Rollenspielen der Hilfsausbilder die Abläufe und gesetzlichen Grundlagen praxisnah kennen.

Samstag, 29. April 2023

Tag 11

Wecken 5:15 Uhr
Zapfenstreich – (22:30 Uhr)
Schlaf 5:30 h (ausreichend)
Schritte 12.755
Stress 70%
Motivation 8/10

Die Abreise stand kurz bevor und in Gedanken war der eine oder andere schon auf dem Weg nach Hause. Da gab es keinen Zweifel mehr: Wir hatten das erste Modul geschafft! (Bis auf einen Ausfall aus familiären Gründen konnten alle Kameraden bis zum Ende des Moduls teilnehmen).

Am Vormittag schrieben wir einen kleinen Test, der uns die erfolgreiche Teilnahme an der Wachausbildung bescheinigen sollte. Nachdem die obligatorische Prüfungsangst überwunden war, stellte sich schnell heraus, dass sich niemand Sorgen machen musste. Wir hatten gelernt, was wir wissen mussten.

Anschließend wurde uns der Flaggenappell demonstriert und wir lernten eindrucksvoll die Bedeutung unserer Flagge kennen. Für den Ausbilder an dieser Station hatte die Fahne eine tiefe Bedeutung und er konnte uns vermitteln, warum es wichtig ist, dass die Fahne nie den Boden berührt und warum sie ein wichtiges und unbeflecktes Symbol ist.

Nach dem Mittagessen räumten wir unsere Stuben auf und verstauten das Gepäck in den Privatfahrzeugen. Alle waren glücklich und auch ein bisschen stolz, es geschafft zu haben. Als ich abends zu Hause ankam, wurde ich von meiner überglücklichen Familie in Empfang genommen.

Modul 2

Samstag, 8. Juli 2023

Tag 01

Antreten bis 12:00 Uhr
Zapfenstreich 23:00 Uhr
Schlaf 7:13 h (ausreichend)
Schritte 12.361
Stress 72%
Motivation 9/10

Endlich war es soweit! Das zweite und letzte Modul unserer Ausbildung zum Reservisten lag vor uns und beginnen sollte die Ausbildung dieses Mal nicht in Baumholder sondern in der Kurmainz-Kaserne (Mainz, RP). Mit gemischten Gefühlen blickte ich auf das was in den kommenden Tagen vor uns liegen würde. Groß war die Freude die alten Kameraden wieder zu treffen, doch hatte ich auch Respekt vor dem Unbekannten, dem was uns in diesem Teil erwarten würde: viel Schießen (NeuSAK), taktische Verwundetenversorgung (EH-A) und das abschließende Biwak.

Bis zur Mittagszeit sollten wir angereist sein… doch gilt die altbekannte Soldatenweisheit: „Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit!“ …und so war ich um einiges früher da – und trotzdem ging es direkt los! Nach einer kurzen Begrüßung bezogen wir unsere Stuben, welche sich dieses Mal in einer Unterkunft des Mainzer Karrierecenters befanden. (Auf den anderen Stockwerken waren auch Bewerber untergebracht, welchen wir gelegentlich über den Weg liefen, daher galt eine strikte Nachtruhe.)

Nachdem wir unsere Betten bezogen und die viel zu kleinen „Bewerberschränke“ mit unserer umfangreichen Ausrüstung beladen hatten marschierten wir zum „Kinosaal“, einem etwas größeren Nebengebäude das mit Tischen und Stühlen in einen Schulungsraum verwandelt worden war. Wir erfuhren, dass uns unsere Ausbilder in den nächsten Tagen (größtenteils) nicht begleiten würden. Das war für uns alle recht bitter, denn waren es doch die Ausbilder die maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass das erste Modul bei allen so gut angekommen war. Stattdessen lernten wir nun zwei neue Schießausbilder kennen: Koryphäen, auf ihrem Gebiet, wie sich später zeigen sollte. Nach der Vorstellung folgte eine Theorie-Einführung in die Schießlehre und ein kleiner Ausblick darauf was uns im ersten Drittel des zweiten Modules erwarten würde.

Sonntag, 9. Juli 2023

Tag 02

Wecken 5:30 Uhr
Zapfenstreich 23:30 Uhr
Schlaf 5:34 h (schlecht)
Schritte 12.292
Stress 75%
Motivation 7/10

Der Ausbildungsleiter der Schießausbildung hatte das Kommando über uns übernommen und dies machte sich unter anderem durch folgende Neuerungen für uns bemerkbar: wir wurden nicht geweckt, durften uns morgens selbständig zum „Verpflegen“ bewegen – wurden also nicht geführt, wie für Rekruten sonst üblich – und es wurde ein „Hörsaaldienst“ ernannt.

Der „Hörsaaldienst“ war in unserem Fall täglich ein neuer Kamerad, er war dafür verantwortlich, dass der Ausbildungszug zu den geforderten Zeiten ordentlich antrat und er führte uns auch zu den unterschiedlichen Ausbildungs-, Verpflegungs- bzw. Unterkunftsgebäuden. Am ersten Tag wurde der Hörsaaldienst vom Ausbildungsleiter bestimmt, an den folgenden Tagen meldeten sich dann Kameradinnen und Kameraden freiwillig. Es gab immer exakt einen Freiwilligen, der diese lehrreiche Erfahrung machen wollte.

Als wir nach dem Frühstück zur Mehrzweckhalle verlegt hatten empfingen uns hier bereits die Schießausbilder. Wir wurden alsbald mit  Schutzwesten, Holstern, Magazintaschen, Pistolen und Gewehren ausgestattet. Wir schätzten das Gewicht der Schutzwesten auf etwa 10 Kilogramm – doch bei der sengenden Hitze, die Außentemperatur betrug 38°C und unter dem Wellblechdach war es nur unmerklich kühler, fühlte sie sich bald um ein Vielfaches schwerer an.

In Trockenübungen gingen wir die verschiedenen Anschlagsarten und Techniken durch. Und noch heute höre ich die Stimme unseres motivierten Schießausbilders durch den Kopf hallen: „Koooontaktstelluuung!“ – Auf die Details der Schießausbildung möchte ich nicht eingehen, da ich nicht weiß was davon als „nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft ist. Grundsätzlich kann ich jedoch sagen, dass wir nach dem neuen Schießausbildungskonzept (NeuSAK bzw. NSAK) ausgebildet wurden, also einer Ausbildung die den Kampf im Nahbereich (unter ~20 Metern) lehren soll.

Mein Tipp
Wer mehr über das Ausbildungskonzept bzw. Schießen im Nahbereich erfahren möchte, dem kann ich diesen Artikel auf Bundeswehr.de oder dieses YouTube-Video empfehlen.

Montag, 10. Juli 2023

Tag 03

Wecken 5:47 Uhr
Zapfenstreich 22:25 Uhr
Schlaf 6:10 h (ausreichend)
Schritte 12.650
Stress 70%
Motivation 7/10

Ausbildungseinheiten der Bundeswehr basieren meist auf dem VENÜ-Konzept (Vormachen, Erklären, Nachmachen, Üben). Ein einfaches und doch effektives Prinzip, welches allen Teilnehmern ermöglichen soll das Ausbildungsziel zu erreichen. Und so stand auch Tag Zwo unserer theoretischen Schießausbildung in der Wellblech-Mehrzweckhalle unter diesem Motto. Glücklicherweise bedachten uns die Ausbilder mit regelmäßigen Trinkpausen, sodass wir trotz voller Montur (Kampfanzug, Handschuhe, Helm etc.) und immer schwerer werdender Schutzweste durchhalten konnten.

Dienstag, 11. Juli 2023

Tag 04

Wecken 5:48 Uhr
Zapfenstreich 23:05 Uhr
Schlaf 7:06 h (ausreichend)
Schritte 17.793
Stress 72%
Motivation 6/10

Morgen würden wir das Gelernte auf der Schießbahn umsetzen müssen und wir waren froh, dass wir an diesem Tag etwas früher in die Nachbereitung gehen durften, denn das viele Stehen, Üben, Stehen, Üben… in der Halle hat gewaltig geschlaucht.

Mein Tipp
Infos zur Waffenausbildung findest du in diesem Beitrag und natürlich im Netz. (Beachte, dass manche Informationen als Verschlusssache gelten!)

Mittwoch, 12. Juli 2023

Tag 05

Wecken 5:50 Uhr
Zapfenstreich 22:40 Uhr
Schlaf 6:41 h (ausreichend)
Schritte 16.248
Stress 72%
Motivation 5/10

Eigentlich hatte ich mich sehr auf die Schießbahn gefreut. Gelten doch diese Tage als „Soldatensonntag“. Doch es kam anders als erwartet: während ich mit dem G36 alle Übungen erfüllte, drohte mir bei der P8 mein persönliches Waterloo. (Und nein, es lag nicht am Abzugsfinger.) Im ersten Modul war es die reinste Freude für mich mit der P8 zu schießen und die Kugeln wurden vom Schwarz der Scheibe gerade zu magnetisch angezogen – nun hatte ich die größten Probleme. Schnell tat mir mein Ausbilder leid der trotz hoher Motivation irgendwann mit seinem Latein am Ende war. Ich baute ständig neue Schießfehler ein und verriss insbesondere nach unten… Ursache erkannt, korrigiert… nächster Fehler. Ich bekam den Kopf bis zuletzt nicht frei und war heilfroh (Spoiler), dass es mir am dritten Tag dann doch noch gelang die Übung zu absolvieren. Zwar war ich nicht der Einzige der seine Probleme hatte – dennoch war ich irgendwann gefrustet.

Auch wenn man nach den zahlreichen erfolglosen Versuchen den Eindruck haben konnte, dass man ein kompletter Versager sei, so will ich gesagt haben, dass das Schießergebnis immer von mehreren Faktoren abhängt: beispielsweise der persönlichen Tagesform und natürlich von der allgemeinen Fitness. Trotz der vielen guten Ratschläge war ich irgendwann einfach „durch“… Und jeder Misserfolg führte zu einem noch kramfhafteren Scheitern. – Ich werde einfach bei Gelegenheit, z.B. im Rahmen einer DVAG, einen neuen Anlauf nehmen und den Umgang mit der Pistole trainieren.

Donnerstag, 13. Juli 2023

Tag 06

Wecken 5:49 Uhr
Zapfenstreich 23:01 Uhr
Schlaf 6:55 h (ausreichend)
Schritte 15.487
Stress 70%
Motivation 6/10

Am Rande sei erwähnt, auch wenn es eine Selbstverständlichkeit sein muss, dass alle Kameraden absolut sicher im Umgang mit den Waffen waren. Es gab, soweit ich weiß, keinerlei Sicherheitsverstöße auf der Schießbahn und jeder beachtete die vier Sicherheitsregeln, welche uns auch beim ersten Modul „eingebläut“ wurden. Es war sehr beruhigend dass niemals eine Mündung – ganz gleich ob geladen oder ungeladen („Eine Waffe ist stets als geladen zu betrachten!“) – in die falsche Richtung zeigte.

Zwischen den einzelnen Rennen, so nennt man die „Teilnehmergruppen“ auf der Schießbahn erhielten wir von einem der Ausbilder (welcher übrigens auch mein Gruppenführer im ersten Modul war) die ersten Einblicke in die Themen „Alarmposten“, „Überqueren /-springen von Wegen“ etc. In der Mittagspause kam dann die Mutter der Kompanie, unser Spieß, und versorgte uns mit Essen, frischen Getränken und energiereichem Süßkram. Dann ging es wieder weiter zur nächsten Schießübung.

Der komplette Ausbildungszug war am Ende der Schießtage (und der vorherigen „Trockenübungstage“) so erschöpft, dass wir auf der kurzen Busfahrt zur Kaserne alle eingeschlafen sind. – Morgen nochmal, dann ist es geschafft, sagten wir uns.

Mein Tipp
Schoko- bzw. Müsliriegel, Getränkepulver und Traubenzucker sind nicht nur Energielieferanten für den Körper sondern helfen auch den mentalen Tiefpunkt zu überwinden. (Das gilt natürlich auch außerhalb der Schießbahn und in anderen Situationen.) Wirf einen Blick auf unsere kuratierte Packliste.

Freitag, 14. Juli 2023

Tag 07

Wecken 5:48 Uhr
Zapfenstreich 22:33 Uhr
Schlaf 6:47 h (ausreichend)
Schritte 15.936
Stress 60%
Motivation 6/10

Noch mehr Schießausbildung: Letzter Tag des NeuSAK-Ausbildungsblocks. Ich werde nun nicht mehr viele Worte zur Schießausbildung verlieren, denn die Tage glichen sich…

Daher möchte ich nun auf ein ganz anderes Thema eingehen: während man bei der Bundeswehr ist, dreht sich die Welt draußen ohne einen weiter. Das war ein neues und seltsames Gefühl für mich. Während meiner kurzen Ausbildung habe ich meinen Hochzeitstag und den Geburtstag meiner mittleren Tochter verpasst. Außerdem war ich was die Nachrichten, sowohl die weltweiten als auch die im Kollegen-, Freundes- oder Familienkreis, betrifft nicht mehr up-to-date. Man fühlt sich wie in einer Zeitblase gefangen. Sonderbar, ist man doch sonst gut informiert und Teil seines Lebens „da draußen“. Auch wenn ich abends zu Hause angerufen habe oder zum Einschlafen einen News-Podcast angehört habe – ich war in einer anderen Welt… Kennt ihr das?

Soldat in einer Zeitblase. (KI-generiertes Bild; Midjourney)

15-17. Juli 2023

Tage 08/09/10

Motivation 10/10
Beim Biwak sind Smartwatches und Handys natürlich untersagt, daher gibt es an diesen Tagen auch keine Statistik. Insgesamt ging das Biwak zwei Nächte bzw. drei Tage.

Biwak

Da gefühlt kaum einer weiß was der Name überhaupt bedeutet und ich auch schon so manche seltsame oder lustige Erklärung gehört habe hier die richtige Definition bzw. Ethymologie: Biwak (von französisch bivouac ‚Feldlager‘, ‚Nachtlager‘) bezeichnet ein Lager im Freien, aber auch in Zelten oder Hütten, vor allem für Soldaten oder Bergsteiger. (Quelle: Wikipedia) Und heute sollte es losgehen: unser Biwak. Ein weiterer Höhepunkt in der Grundausbildung eines jeden Soldaten! Vielleicht, neben dem Gelöbnis, das prägendste Erlebnis.

Wir verlegten zunächst von Mainz nach Baumholder – zum Truppenübungsplatz. Wir nutzten erneut die Fahrt im Bus zum Schlafen und erreichten bei schönstem Jäger-Wetter (Regen ist bekanntlich flüssiger Sonnenschein) unseren Ausgangspunkt. Ich will gar nicht zu viele Details verraten, denn ich will ja auch niemandem seiner eigenen Erfahrung berauben – quasi spoilern – daher will ich nur ein paar Stichpunkte (siehe Liste unten) festhalten. – Zu unser aller Freude waren nun wieder alle Gruppenführer aus dem ersten Modul unsere direkten Ausbilder.

Mein Tipp
Bei unserem Biwak hat uns ein Team der Landeschau Rheinland-Pfalz (SWR) besucht. Video ansehen…

  • Als es in Strömen goss und wir nachts in die Stellung glitten und komplett eingematscht waren.
  • Als ich nachts auf Patrouille jemanden im Busch sah und es nur ein Glühwürmchen war.
  • Als wir an diesem Berg mit 70%-Steigung „abkotzten“ und Feuer von der Seite bekamen.
  • Als wir den Verwundeten transportierten und ständig wechseln mussten.
  • Als wir den Waldkampf übten und uns wie Helden fühlten.
  • Als uns Geräusche und Lichter bei Nacht präsentiert wurden.
  • Als wir Stellungen gruben und die Steine und Wurzeln so zäh waren wie wir.
  • Als wir im Alarmposten lagen und LANGEMARK auswendig lernten.
  • Als das Essen besser schmeckte als in einem renommierten Restaurant.
  • Als die Nerven blank lagen und wir uns gegenseitig angezickt haben.
  • Als wir mit Leuchttrassierband unser Revier markierten.
  • Als man uns sagte „kein Feuerstoß“ und es irgendwer falsch verstand.
  • Als wir alle gleich waren und Kameraden waren.
So kam uns der Berg vor... (KI-generiertes Bild)

Dienstag, 18. Juli 2023

Tag 11

Wecken 5:50 Uhr
Zapfenstreich 23:00 Uhr
Schlaf — (schlecht)
Schritte 10.224
Stress 60%
Motivation 8/10

Nächster Ausbildungsblock: Ersthelfer Alpha (EH-A), auch betitelt als „taktische Verwundetenversorgung“. Ein spannendes und wichtiges Thema auf welches ich mich ebenfalls sehr gefreut habe.

Die Ausbildung übernahm nun ein SAN-Team aus Cochem und sollte sowohl aus theoretischen, als auch aus praktischen Elementen bestehen. Gerade der Theorieunterricht war aufgrund der Vortage sehr anstrengend – und wir mussten trotz des spannenden Unterrichts mit der Erschöpfung kämpfen.

Worum geht es beim Ersthelfer Alpha? Der Ersthelfer ist, wie sein Name verrät direkt vor Ort. Jeder Soldat in der Bundeswehr – und der Reserve – muss in der Lage sein sich selbst und Kameraden zu helfen. Insbesondere in den ersten Phasen der „Tactical Combat Casualty Care“ (TCCC), können die EH-Alphas durch schnelles Reagieren („Platinium Minutes“) Leben retten. Noch in der ersten Phase („Care under fire“) wird das Feuergefecht fortgeführt und kritische Blutungen gestillt. Dies erfolgt in der Regel durch einen so genannten Tourniquet (französisch, „tur·nii·kee“ und nicht „Törneki“), mit welchem Extremitäten abgebunden werden können.

Worum es beim TCCC bzw. dem EH-A geht ist kein Geheimnis und doch gibt es so manchen Unterschied zum zivilen Erste-Hilfe-Kurs. Wen das Thema interessiert wird unter den folgenden Schlagworten im Netz schnell fündig werden: TCCC, Care under fire, Tactical field care, MARCH, Tourniquet usw. – Übrigens unterliegt die gesamte EH-A-Ausbildung einem NATO-Standard, da wir im Ernstfall auch für unsere Partner da sein möchten – und sie für uns.

Mein Tipp
Im Einsatz erhält jeder Soldat ein „Individual First Aid Kit“ (IFAK), welches recht groß ist und auf dem linken Oberschenkel getragen werden kann. Viele aktive Soldaten tragen es allerdings nach Absprache mit ihrer Einheit anders. Bei jedem am Mann sind jedoch mindestens zwei Tourniquets (gelegentlich auch in Taschen, welche mit „TQ“ beschriftet sind). HINWEIS! Es schadet zwar nicht sich damit selbst aus zu statten, allerdings ist darauf zu achten, dass man (wenn schon, denn schon) die originalen CAT-Tourniquets kauft, welche derzeit vielerorts leider vergriffen sind. Die TQs sind recht teuer ~40 Euro pro Stück, trotzdem nicht an der falschen Stelle sparen!

Care Under Fire (KI-generiert)

Mittwoch, 19. Juli 2023

Tag 12

Wecken 6:18 Uhr
Zapfenstreich 22:55 Uhr
Schlaf 5:52 h (ausreichend)
Schritte 10.248
Stress 65%
Motivation 9/10

Auch am zweiten Tag der Ersthelfer-Alpha-Ausbildung stand die taktischen Verwundetenversorgung im Zentrum. Nicht nur die klassischen Maßnahmen (z.B. die der Wiederbelebung) wurden besprochen sondern auch verschiedene Verletzungen z.B. Verbrennungen, Erfrierungen, Stromschlag (u.v.m.) wurden erläutert.

Außerdem gab es auch immer wieder praktische Übungen, wie z.B. das „Ausstopfen“ einer (Silikon-) Schusswunde mit Gauze bzw. dem Anlegen eines Druckverbandes („israeli bandage“) oder das Abkleben („chest seal“) wurde gezeigt bzw. geübt. (Ich würde an dieser Stelle gerne auf Amazon verweisen, damit man sich die Produkte dort ansehen kann, allerdings ist der Marktplatz komplett leergekauft. Solltest du mal einen EH-A-Kurs belegen so werden dir die Produkte vor Ort gezeigt und du darfst auch damit üben.)

An dieser Stelle möchte ich meinen Kameraden Lutz grüßen, der bis vor Kurzem für die UN als TCCC-Ausbilder tätig war und nun wieder aus Argentinien zurückgekehrt ist. Ich habe versucht alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit er irgendwie bei der Bundeswehr Fuß fassen kann, aber offenbar schlägt die Bürokratie auch hier erbarmungslos zu… Für meine Unterstützung hat er sich dennoch mit einem Coin bei mir bedankt, den ich in Ehren halte:

Argentinischer Coin, den mir TCCC-Ausbilder Lutz geschenkt hat.

Mein Tipp
Unter dem Schlagwort #Medic findest du hier im Blog zahlreiche Artikel zum Thema Ersthelfer, Rettungsketten, Sanität usw.

Donnerstag, 20. Juli 2023

Tag 13

Wecken 6:31 Uhr
Zapfenstreich
Schlaf 7:08 h (ausreichend)
Schritte 10.464
Stress 60%
Motivation 10/10

Der letzte SAN-Ausbildungstag. Heute stand ein schriftlicher Test an. Wir hatten das MARCH-Schema hoch und runter gepaukt – und es kam gar nicht dran. Stattdessen waren da Fragen zu den Schockarten, welche ich mir mit dem Merkwort „HANKS“ gemerkt habe. Irgendwie hat es für alle gereicht. Viel spannender war dann jedoch eine SAN-Lage, welche ich im Folgenden beschreiben möchte.

Unser Ausbildungszug wurde in drei Gruppen eingeteilt: Verwundete, Transportierende und Versorgende. Im Übungsszenario gab es eine Explosion (mit Feind war nicht zu rechnen, es könnte also auch eine zivile Lage sein, daher denke ich, dass ich sie schildern darf). Verwundete lagen mit verschiedenen Verletzungen hinter dem Ausbildungsgebäude. Gliedmaßen waren abgetrennt, Organe hingen aus dem Unterleib, manche waren Bewusstlos oder geistig verwirrt… – Es herrschte schlichtweg Chaos. Silikon-Abformungen /-Verletzungen (so genannte „Moulagen“) und die Schreie der Verwundeten sorgten für ein (ansatzweise) plastisches Bild. Während die Verletzten jammerten und ächzten oder noch schlimmer „stumm im Gebüsch lagen“ eilten die Transporteure herbei und brachten sie mit gelernten Transporttragegriffen (z.B. Gams- oder Rautek-Griff), Behelfstragen, usw. zu einem Verwundetensammelnest. Dies geschah unter dem Geschrei der Ausbilder, welche zusätzlichen Stress hervorrufen wollten. Im Verwundetensammelnest wurden die Patienten dann in drei Gruppen unterteilt, abhängig von der schwere ihrer Verletzung (Alpha – sofort, Bravo – mittelfristig, Charlie – langfristig). Gemäß TCCC-Standard endete das Szenario dann mit der „Tactical Evacuation Care“ (TACEVAC), also dem Abtransport in ein Krankenhaus (Role 1).

Nachdem alle Verwundeten versorgt waren rotierten die Gruppen – bis jeder alle Rollen einmal übernommen hatte. Jede Aufgabe hatte ihre Herausforderungen und es war spannend zu sehen und zu merken was im Stress so passiert… – und das war nur eine „Kindergeburtstagssimulation“ – im Krisenfall wird es um einige Stufen härter… Wir haben viel gelernt!

Tactical Evacuation Care (KI-generiert)

Mein Tipp
Wer Zugriff auf „Link & Learn“ (einer Ausbildungsplattform der Bundeswehr) hat, kann einen Zugang zur EH-A-App beantragen und üben. (Die Nutzung der App ist nur Angehörigen der Bundeswehr erlaubt – das seid ihr während einer RDL.)

Abends fand unser Kameradschaftsabend statt. Wir bedankten uns bei unseren Ausbildern!

Freitag, 21. Juli 2023

Tag 14

Wecken 6:15 Uhr
Zapfenstreich
Schlaf 5:36 h (schlecht)
Schritte 10.860
Stress 60%
Motivation 8/10

Am letzten Tag stand noch ein umfangreiches Waffenreinigen an… Es kann schon ein paar Stunden dauern bis ein mit Übungsmunitionsrückständen zugesetztes G36 mal richtig sauber ist… Der Waffenmeister „liebt seine Waffen“… wir waren eine Weile beschäftigt. Anschließend folgten dann noch einige Ansprachen und ein Gruppenbild. Von einst 37 Kameraden haben 24 die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Warum? Den Gründen werde ich bei Gelegenheit in einem separaten Blogeintrag auf den Grund gehen – die meisten der Unglücklichen werden es jedoch nächstes Jahr erneut versuchen.

Bei leichtem Nieselregel wurden uns schließlich unsere grünen Litzen verliehen. Dienstschluss!

Wohlwissend, dass wir manche Kameraden womöglich nie wieder sehen werden, fiel uns der Abschied besonders schwer. Einige werden sich im September auf dem Truppenübungsplatz (im Rahmen der Heimatschutzkompanie) wiedersehen… – Horrido!

Erläuterung

Alle Werte Stammen von meiner Smartwatch (Garmin Instinct 2 Solar Tactical) bzw. meiner persönlichen Einschätzung („Motivation“). Natürlich sind alle Angaben ohne Gewähr und auch nicht repräsentativ – ich habe sie zur Illustration angegeben, damit man sich ein Bild davon machen kann.

Wecken Die Uhrzeit basiert auf meinem Gedächtnis und dem Protokoll meiner Smartwatch.
Zapfenstreich Zapfenstreich bedeutet „Licht aus“. Meist habe ich vor, manchmal erst nach dem Zapfenstreich geschlafen.
Schlaf Dauer basierend auf den Angaben meiner Smartwatch. Der in Klammern angegebene Wert meiner Schlafqualität wurde ebenfalls durch die Uhr berechnet.
Schritte Meine alltägliche Schritteanzahl liegt an Werktagen in der Regel zwischen 2000 und 5000.
Stress Mein alltägliches Stresslevel ist etwa halb so hoch, wie während des Modules.
Motivation Persönliche Einschätzung, basierend auf meinem Befinden bzw. meinem Gemütszustand an diesem Tag.

Mein persönliches Fazit

Ich würde es wieder tun! Ganz klar. – Ich hatte zwar den ein oder anderen schlechten Tag, aber ich bin stärker und motivierter daraus hervorgegangen. Es war so, wie unsere Ausbilder es prophezeit hatten: Wenn man den Schweinehund überwunden hat, dann hat man neue Kraft.

Ansonsten musste ich feststellen, dass ich nicht in allen Bereichen ein Überflieger bin. Aber es hat mich auch getröstet, dass ich mit Leuten zu tun hatte, die im zivilen Leben verantwortungsvolle Aufgaben oder hohe Positionen begleiten und sich genauso doof angestellt haben wie ich. Es ist eben eine andere Welt. Das Niveau ist so gewählt, dass es für alle machbar ist. Wir waren alle sehr motiviert und ich bin mir sicher, dass unsere Ausbilder das sehr geschätzt haben.

Wir hatten großes Glück mit unseren Ausbildern und ich bin froh, dass sie auch für das zweite Modul wieder zur Verfügung standen. Sie sind nicht nur engagiert und motiviert, sondern verstehen es auch, Wissen zu vermitteln. Sie wissen, wann Zuckerbrot und wann Peitsche angesagt ist, und es gab keine Schikane oder ungerechtfertigtes Gebrüll.

War die Kameradschaft in den ersten Tagen noch etwas verhalten, so wuchs die Gruppe immer mehr zusammen und war für sich da. Natürlich kann man diese Kameradschaft nicht mit der einer Kampfgruppe vergleichen, die gemeinsam durch dick und dünn gegangen ist, aber wir waren füreinander da und wir waren alle gleich.

Tipps

Ein paar Tipps, die ich dir, geschätztem Leser, mit auf den Weg geben möchte, wenn auch deine Ausbildung ansteht:

  1. Waffen
    Die Waffe ist immer als geladen zu betrachten. Mach keine nervösen Bewegungen damit und halte und führe sie so, wie du es lernst. Die Fehlertoleranz beim Thema Schusswaffen ist „null“! Lasse deine Waffe niemals aus den Augen!
  2. Ordnung
    Manche Gruppenführer haben viel Wert auf das Erscheinungsbild der Stube gelegt, andere weniger. Was jedoch für alle wichtig ist: Hände aus der Tasche, Schnürsenkel im Stiefel verstauen, alle Taschen oder Knöpfe müssen verschlossen sein.
  3. Denken
    Brauchst du nicht, macht die Bundeswehr für dich. Man sollte nie in die Verlegenheit kommen und auf eine Nachfrage des Ausbilders warum man etwas so oder so gemacht hat zu antworten: „ich habe gedacht, dass…“ – das endet nie gut. Mache es so, wie es angesagt wurde, und wenn später jemand sagt, dass es anders sein soll, dann machst du es eben wieder anders. Ohne wenn und aber.
  4. Lageänderung
    „Nichts ist beständiger als die Lageänderung“. Gewöhne dich daran, dass sich die Lage öfter mal ändern kann und hinterfrage es nicht. Es macht keinen Sinn dies zu ergründen, mach es und wage es nicht es zu hinterfragen.
  5. Kameradschaft
    „Kameradschaft“ wird bei der Bundeswehr großgeschrieben, was das genau bedeutet wird dir vermutlich erst nach ein paar Tagen klar werden. Lasse dich auf deine Kameraden ein, sei für sie da und gemeinsam werdet ihr die Herausforderungen meistern die euch erwarten.
  6. Kein Vormucken
    Wie bereits oben erwähnt bekommt man alles gesagt, was man zu tun hat. Das pädagogische Konzept ist, dass etwas vor, dann gemeinsam und zum Schluss alleine gemacht wird. Wer vormuckt, also bereits etwas macht, ohne dass es angesagt wurde bekommt einen Rüffel – ganz gleich ob beim Waffen zerlegen oder beim „Augen gerade aus!“.
  7. Sorglos
    Mache dir keine Gedanken was dich erwarten wird. Du wirst das schaffen! (Ich hab es auch geschafft.) Beachte einfach die oben genannten Punkte und dann wirst auch dir der Einstieg leicht fallen.

Titelbild
© Screenshot aus Landesschau Rheinland-Pfalz, ARD Mediathek

Daniel absolvierte die Ausbildung für Ungediente 2023 in Rheinland-Pfalz und ist seitdem in einer Heimatschutzkompanie beordert. Er arbeitet als Reservistendienstleistender in einer Projektgruppe des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr und engagiert sich als einer von zwei Beauftragten der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr für die Ausbildung Ungediente. Daniel ist verheiratet und Vater von drei Töchtern.

War dieser Artikel für dich hilfreich?

Vielen Dank!