Buttjer Freimann, ehemaliger Bundeswehrsoldat und erfahrener Pionier, schloss sich nach der russischen Invasion 2022 der Legion in der Ukraine an, wo er als Combat Engineer an wichtigen Frontabschnitten diente. In seinem X-Account gewährt er anonym Einblicke in seine Erlebnisse, militärische Expertise und persönliche Eindrücke. Ohne Namen, Orte oder genaue Daten zu verraten, bleibt er seinem Prinzip treu, die Privatsphäre seiner Kameraden und sich selbst zu schützen.
Die Notwendigkeit der Standardisierung
Die Unterstützung der Ukraine durch westliche Länder hat vieles gezeigt, vor allem aber eines: die Tücken einer vielfältigen, uneinheitlichen Ausrüstung. Für ein funktionierendes Militär ist eine Fülle von Waffensystemen auf den ersten Blick verlockend – viele Systeme bieten theoretisch mehr Einsatzmöglichkeiten und Flexibilität. Doch in der Praxis bringt eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte immense logistische und operative Herausforderungen mit sich. Ein Gedankengang zu den Lessons Learned und warum Standardisierung nicht nur Luxus, sondern strategische Notwendigkeit ist.
Patchwork an Waffensystemen
Die Ukraine erhielt Unterstützung in Form unzähliger Systeme, von westlichen Panzerfahrzeugen bis hin zu FPV-Drohnen. Doch was als große Hilfe begann, zeigte bald seine Schattenseiten. Ein gutes Beispiel sind die britischen Challenger-Panzer: zwar leistungsstark, aber in sehr kleiner Anzahl vorhanden. Für die Besatzungen bedeutet das nicht nur eine lange und intensive Ausbildung, sondern auch die Unsicherheit, dass ein eventueller Ausfall des Fahrzeugs den Bedarf nach Umschulungen erzwingen könnte.
Auch die Instandhaltung dieser Panzer ist alles andere als simpel. Ersatzteile und Munition für einen Challenger unterscheiden sich deutlich von denen des Leopard 2, und das Logistikpersonal muss aufpassen, nicht die falschen Teile zu verwenden – ganz zu schweigen von den sprachlichen Barrieren und unterschiedlichen Spezifikationen.
Gefahr durch Uneinheitlichkeit
Ein weiteres Beispiel sind spezielle Systeme wie die Switchblade-Drohnen. Nach einer einwöchigen Schulung für 12 Soldaten kamen nur wenige dieser Drohnen überhaupt an die Front, und oft nicht in ausreichender Stückzahl. Die Investition in Ausbildung steht dann oft in keinem Verhältnis zur Einsatzverfügbarkeit.
Das Gleiche gilt für Pioniereinheiten mit Anti-Tank-Minen. Mit einer Vielzahl an Minentypen fällt es den Soldaten schwer, sich auf den sicheren Umgang mit jedem Einzelnen zu verlassen, sodass manche Minen aufgrund mangelnder Handhabungssicherheit gar nicht eingesetzt werden. Die Zeit, die in die Ausbildung verschiedener Systeme gesteckt wird, fehlt dann bei anderen Kernkompetenzen.
„Werkseinstellungen“ von FPV-Drohnen
Im Bereich der Drohnen wird die Vielfalt besonders sichtbar. Die meisten FPV-Drohnen werden in lokalen Werkstätten gebaut, was bedeutet, dass ein Drohnenteam oft Drohnen aus verschiedenen Produktionsreihen erhält. Jedes dieser Modelle muss für einheitliche Steuerung und Software stundenlang angepasst werden. Dieser Aufwand, der kontinuierlich erforderlich ist, geht zulasten anderer wichtiger Aufgaben.
Standardisierung als Lösung
Ein hypothetisches Beispiel zeigt das Problem im Westen: Wenn die Bundeswehr eine geringe Anzahl neuer Skyranger-Flakpanzer anschafft, kann dieses Gerät einige Einheiten schützen, reicht aber keineswegs für einen umfassenden Kriegseinsatz. Der Bedarf an zusätzlichen Systemen würde unweigerlich zu einem „Mischmasch“ an Nachrüstungen führen, von denen jedes eine eigene Ausbildung, Ersatzteilversorgung und Wartung erfordert.
Die Lösung ist altbekannt und hört auf den Namen Standardisierung – ein Konzept, das seit Jahrzehnten durch die NATO verfolgt wird und unter dem Kürzel STANAG (Standardisation Agreement) bis hin zu Munitionsarten, Software, Verfahren und sogar zu Einsatzabläufen einheitliche Standards festlegt. Leider ist die Interoperabilität in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, da viele Nationen auf Kleinserien und „Boutique“-Lösungen setzten, die eher auf spezielle Einsätze wie den globalen Krieg gegen den Terror abgestimmt sind.
Eine hundertprozentige Vereinheitlichung wird nie möglich sein, aber jeder Schritt in Richtung Standardisierung reduziert die Belastung der Logistik und verkürzt die Ausbildungszeiten.
Es reicht nicht, nur die besten Panzer oder Fregatten zu kaufen; vielmehr brauchen die NATO-Länder eine größere Rückbesinnung auf gemeinsame Standards, um wirklich kampffähig zu bleiben. Nur so kann ein multinationaler Einsatz reibungslos funktionieren und sich die logistische Versorgung auch unter Extrembedingungen als effizient erweisen.