Buttjer Freimann, ehemaliger Bundeswehrsoldat und erfahrener Pionier, schloss sich nach der russischen Invasion 2022 der Legion in der Ukraine an, wo er als Combat Engineer an wichtigen Frontabschnitten diente. In seinem X-Account gewährt er anonym Einblicke in seine Erlebnisse, militärische Expertise und persönliche Eindrücke. Ohne Namen, Orte oder genaue Daten zu verraten, bleibt er seinem Prinzip treu, die Privatsphäre seiner Kameraden und sich selbst zu schützen.
Minen: unterschätzte Gefahr
Minen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) sind längst nicht nur Relikte aus den Kriegen des letzten Jahrhunderts – sie sind auch in modernen Konflikten eine zentrale Herausforderung. Mit simplen Mitteln und verhängnisvoller Wirkung halten sie ganze Truppen in Schach. Aber was macht Minen so effektiv und gleichzeitig so schwer zu bewältigen? Einblicke in die komplexe Realität und weit verbreitete Missverständnisse rund um die Räumung und Handhabung von Minen und IEDs – aus der Sicht eines Kampftechnikers in der Ukraine.
Unterschiedliche Minentypen
Minen sind vielseitig und angepasst an die verschiedensten Einsatzbereiche. Während Anti-Personen-Minen gezielt gegen Infanterie eingesetzt werden, zielen Off-Route-Minen wie die TM-83 auf Fahrzeuge, indem sie seitlich explodieren und verheerenden Schaden anrichten. Dazu kommen moderne „Top-Attack“-Minen wie die PTKM-1R, die Gefechtsköpfe über ein Fahrzeug schießen, um es von oben zu zerstören. Selbst die fortschrittlichsten Minenräumpanzer, wie der Leopard 2R, stoßen hier an ihre Grenzen und erfordern weitere Sicherheitsmaßnahmen wie flankierende Sapper (Pioniere). Aber im Ernstfall steht die Absicherung gegen Minen im Konflikt mit anderen Bedrohungen wie feindlicher Infanterie, Drohnen und Artilleriebeschuss.
Herausforderungen der Minenräumung
Die Realität der Minenräumung ist oft ernüchternd, so Buttjer. Technische Mittel wie Minenfräsen sind für Angriffsoperationen wenig hilfreich, und Metalldetektoren versagen häufig, da der Boden durch Granatsplitter und andere Metallreste „verunreinigt“ ist. Manuelle Arbeit bleibt die einzige Möglichkeit – oft mit Suchnadeln statt Detektoren. Doch auch der Einsatz von innovativen Technologien wie Drohnen mit Wärmebildkameras bietet nur begrenzten Nutzen: Offen verlegte Minen lassen sich zwar erkennen, aber eingegrabene Minen bleiben verborgen. Zudem sind Drohnenverluste in Feindnähe problematisch, da sie auch in Krisengebieten keine endliche Ressource sind.
Mythen rund um Minenabwehr
Viele westliche Medien heben neue Technologien wie Drohnen oder spezielle Schuhe (sogenannte „Spiderboots“) als mögliche Lösungen für das Minenproblem hervor. Doch diese Maßnahmen wirken oft eher wie ein verzweifeltes Greifen nach Strohhalmen. Spiderboots zum Beispiel sind für den taktischen Einsatz ungeeignet, und Drohnen können, wie gezeigt, nur einen kleinen Teil der Bedrohung abdecken. Diese mediale Aufwertung wirkt oft fehlgeleitet – wie eine Projektion westlicher Erwartungen auf ein Thema, das für moderne Armeen unbequem ist.
Das Dilemma mit Minen und IEDs
Der Umgang des Westens mit Minen ist oft geprägt von einer gewissen „Verklärung“. Minen und IEDs gelten als „Schmuddelwaffen“, die moralisch verpönt sind, seit viele NATO-Staaten den Ottawa-Vertrag unterschrieben haben, der den Einsatz von Anti-Personen-Minen beschränkt. Doch Minen verschwinden nicht durch Verbote, und ihre Effektivität bleibt. Viele westliche Armeen haben aufgrund der Ächtung das Training zur Minenräumung heruntergefahren, was in Konflikten wie in der Ukraine problematisch wird, da Wissen und Erfahrung fehlen, um gegen diese Bedrohung anzukommen. Die Abkehr von Minen als militärisches Mittel führte dazu, dass westliche Armeen heute mit deren Wirksamkeit konfrontiert sind, ohne sich ausreichend dagegen absichern zu können.
Minen bleiben eine Bedrohung
In modernen Konflikten ist der „Kampfpanzer gegen Minenfeld“ oft ein aussichtsloses Szenario – fast wie ein „Knife to a Gunfight“. Minen sind so einfach und effektiv, dass es sie in der Kriegsführung wahrscheinlich immer geben wird. Eine moderne Armee kann es sich daher nicht leisten, diese Gefahr zu ignorieren oder zu unterschätzen. Stattdessen sollten Nationen die Realität anerkennen und entsprechende Mittel und Training in ihre militärische Vorbereitung aufnehmen. Nur so kann man in Zukunft Minenfelder als das behandeln, was sie sind – eine nicht nur materielle, sondern auch strategische Herausforderung, die taktische Agilität und Vorsicht verlangt.